Resilienz und Mobbing –
Die eigenen Kräfte mobilisieren
Resilienz und Mobbing, die eigenen Kräfte mobilisieren. In unserem Leben können wir von vielerlei kritischen Ereignissen und belastenden Lebenssituationen heimgesucht werden. Der Tod eines geliebten Menschen, eine langanhaltende Krankheit oder der Verlust des Arbeitsplatzes sind nur wenige Beispiele, die einiges an Kraft von einem abverlangen, um auch emotional wieder in ein psychisches Gleichgewicht zu kommen.
Denn wer hört, dass sein bester Freund bei einem Unfall verstorben ist, der wird mit Sicherheit von einem Schock und einer Traurigkeit übermannt werden, die immens sein kann. Nicht selten führt die tiefe Trauer dazu, dass die Person anfangs mit der Situation überfordert und hilflos ist. Er oder sie braucht eine bestimmte Zeit, um dieses Ereignis zu verarbeiten. Meist handelt es sich dabei um einen dynamischen Prozess, den die Person über verschiedene Stationen geht: Von der Unterdrückung der Gefühle über das Eingestehen des Schmerzes bis hin zur Annahme von Hilfe durch das äußere Umfeld – dies können Phasen der Trauerarbeit sein. Erkennbar ist, dass sie dauert und zweierlei bedarf: Persönliche und soziale Ressourcen, wie u.a. Zuversicht, Mitgefühl, Anteilnahme.
Wenn Mitarbeitende ferner nach mehreren Jahren Betriebszugehörigkeit ihre Kündigung vom Chef erhalten, dann wird ebenfalls ein Cocktail an Gefühlen deutlich, welcher bei einigen eine Art innere Einbahnstraße erzeugen kann, d.h. sie verlieren ihren Glauben an ihre eigenen Fertigkeiten und Fähigkeiten und stecken ihren Kopf kurzum in den Sand.
Die Auswirkungen von Mobbing in der Jugendzeit Resilienz und Mobbing
In der Wissenschaft wurde sich intensiv mit allgemein hohen Stressfaktoren, Krisen und gar traumatischen Ereignissen auseinandergesetzt, die sich auf Körper, Geist und Seele des Menschen auswirken können. In diesem Kontext stellten sich viele Forscher zudem folgende Frage: Warum können manche Individuen trotz hoher Belastung diese Situation ohne bleibende Beeinträchtigung überstehen? Wer verkraftet Schicksalschläge und schwierige Lebenssitutionen besser? Welcher „innere Motor“ verleiht einem die Stärke dazu? Diese komplexen Fragen führen zu einem Begriff, der zunächst in der Physik Anwendung fand: Es handelt sich dabei um die Resilienz (vgl. Haufe, 2020).
Resilienz stammt von dem lateinischen Wort „resiliere“ ab, welches sich mit „zurückspringen“ oder „abprallen“ übersetzen lässt. In der Naturwissenschaft ist damit die Elastizität von Werkstoffen gemeint. Diese Stoffe nehmen auch dann ihre ursprüngliche Form wieder an, wenn sie unter Spannung geraten sind und sich diese löst (z.B. Kautschuk) (vgl. ebd.).
Übertragen wir dieses physikalische Phänomen auf den Menschen, dann ließe sich folgendes Gedankenspiel arrangieren: Es „gibt“ Individuen, die Fremdeinwirkungen bei sich ungeschehen machen, weil sie aus eigener Kraft heraus ihren eigentlichen, natürlichen Zustand wieder erreichen können. Sie behalten keinen Schaden zurück. Sie verfügen ferner über ein bestimmtes Rüstzeug, mit dem sie sich selbst stützen und ihre Entwicklung positiv beeinflussen. Dieses wird in den nächsten Abschnitten näher untersucht.
Ein Weg in die Ohnmacht! Resilienz und Mobbing
Die Erkenntnisse der Resilienzforschung verdichten sich dahingehend, dass diese Form der „seelischen Widerstandskraft“ (Fröhlich-Gildhoff u. Rönnau-Böse 2018, S. 4) nicht angeboren ist, sondern im Laufe der individuellen Entwicklung erworben wird. Bereits im Kindesalter kann ein bedeutsames Fundament für eine gute Widerstandsfähigkeit gelegt werden. In der Jugend und gar im Erwachsenalter sind weitere Fortschritte diesbezüglich möglich, weil jeder Lebensabschnitt auch spezielle Entwicklungsaufgaben beinhaltet, an denen eine Person wächst. Während ein Kind seinem natürlichen Forscherdrang nachgibt und seine Umwelt erkundet, erleben junge Menschen während ihrer Pubertät andere Hürden, die sie zu meistern haben: Ihr Körper passt sich an hormonelle Veränderungen an, ihre Sinnsuche nach dem Leben wird geschärft, die eigene Identität rückt in den Mittelpunkt und die Abnabelung vom Elternhaus gewinnt an Bedeutung. Erwachsene stellen sich hingegen Fragen nach ihrer finanziellen Unabhängigkeit, einer festen Partnerschaft und der damit in Verbindung stehenden Gründung einer eigenen Familie (vgl. ebd., S. 4 ff)
Mit anderen Worten ausgedrückt: Individuen lernen aus ihren Erfahrungen, in dem sie mit ihrer (sozialen) Umwelt interagieren. Sie treten in Resonanz mit wichtigen Bezugspersonen und können daraus eine Menge an Rückschlüssen für ihr eigenes Handeln ziehen, u.a. was für die Bewältigung herausfordernder Situationen notwendig ist (vgl. ebd.). Resilienz wird so gesehen auch „als erworbene Fähigkeit verstanden, Krisen und Belastungen so zu bewältigen, dass das Indivduum nicht zerbricht, sondern gestärkt daraus hervorgeht“ (ebd., S. 4). Im Rahmen dieses Kompetenzerwerbs konnten Resilienzforscher Schutzfaktoren extrahieren, welche „die Wahrscheinlichkeit einer gesunden, seelischen Entwicklung (deutlich) erhöhen“ (ebd., S. 4) Diese Faktoren minimieren also das Risiko, dass bestimmte Störungen bei Belastungen in Erscheinung treten. Sie wirken sich nicht nur positiv auf die physische, sondern ebenso auf die psychische Gesundheit aus (vgl. Bengel u. Lyssenko 2016).
Beziehungen als sozialer Schutzfaktor Resilienz und Mobbing
Kinder und Jugendliche stehen wie bereits angedeutet in einer Ich-Umwelt-Beziehung. Sie lernen durch das soziale Miteinander. Ihre Kompetenzen, wie Rücksichtnahme, Gerechtigkeit, Vertrauen oder Ehrlichkeit können durch die Interaktionen mit anderen gefördert werden. Beziehungen gelten somit auch als ein wesentlicher Schutzfaktor, vorausgesetzt deren Qualität stimmt. Stabilität, Emotionalität, Wertschätzung sind diesbezüglich entscheidende Kriterien, anhand derer sich folgende Ich-Aussagen für eine gute Beziehungsgestaltung herleiten lassen (vgl. Fröhlich-Gildhoff u. Rönnau-Böse 2018, S. 4 f., Bengel u. Lyssenko 2016):
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Ich stehe im regelmäßigen Kontakt mit dir!
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Ich fühle mich wohl in deiner Gegenwart!
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Ich fühle mich sicher bei dir!
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Ich fühle mich mit meinen Bedürfnissen wahrgenommen!
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Ich werde durch dich gefördert!
Darüber hinaus benennen Fröhlich-Gildhoff und Rönnau Böse personale Resilienzfaktoren, mit denen Individuen Krisen, alterbedingte Entwicklungsaufgaben und aufreibende Alltagssituationen bewältigen können:
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Selbst- und Fremdwahrnehmung
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Selbstwirksamkeit
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Soziale Kompetenzen
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Selbstregulation
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Problemlösefähigkeiten
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Aktive Bewältigungskompetenzen (vgl. -Fröhlich-Gildhoff u. Rönnau-Böse, S. 5).
Mobbing in der Jugend
Mobbing ist keine Nebensache in der Schule ist, sondern ein Problem von dem viele Schüler:innen betroffen sind, wie der PISA-Report 2017 zeigt: Weitestgehend jede(r) sechste Schüler:in im Alter von 15 Jahren leidet unter Mobbing (vgl. Cyberlife III, S. 11).
Es ist daher eine gemeinsame Aufgabe von der Schulleitung und den Lehrer*innen, ihre Schüler*innen vor Mobbing zu schützen. Niemand sollte, gleich Kind oder Jugendlicher, systematisch und mutwillig ausgegrenzt werden. Wobei zu erwähnen ist, dass die Schikane ganz unterschiedliche Formen von subtiler bis offen aggressiver Gewalt annehmen kann, d.h. das Spektrum ist vom „Ignoriert werden“ bis hin zum „körperlichen Angriff“ breit gefächert. Zudem werden Schauplätze von Mobbing und Gewalt deutlich, die sich nicht nur auf das schulische Umfeld, den Pausenhof oder das Klassenzimmer, konzentrieren, sondern sich im Paralleluniversum befinden. Gemeint ist hiermit das Internet, welches die Plattform für digitales Mobbing ist.
Analoges und digitales Mobbing können weitreichende Folgen haben. Viele Mobbingopfer berichten davon, dass sie aufgrund der oftmals täglich stattfindenden Beleidigungen, Hänseleien, Beschimpfungen, Tritte oder Schläge Angst hatten. Sie wollten nicht mehr zur Schule gehen. Morgendliche Kopf- und Bauchschmerzen plagten sie. Hinzu kamen Konzentrationsschwierigkeiten in der Schule sowie Appetitlosigkeit und Schlafstörungen. Das sind alles typische Warnzeichen. Darüber hinaus kann Mobbing im Extremfall zu Suizid führen. Die Opfer konnten dem psychischen Druck nicht mehr Stand halten, waren in ihrer Hilflosigkeit gefangen und sahen keinen anderen Ausweg, als sich umzubringen.
Obendrein belegen Studien, dass junge Menschen, die während ihrer Schulzeit gemobbt worden sind, auch im Erwachsenalter einem erhöhten Risiko ausgesetzt sein können, an Depressionen und/oder Angststörungen zu erkranken (vgl. Spiegel 2013, Olweus zit. nach bpb, 2010).
Was macht Kinder und Jugendliche stark?
Eine Frage stellt sich nun in diesem Zusammenhang. Mobbing ist zweifelsohne eine belastende Situation. Im Rahmen der Resilienz eröffnet sich nun ein breites Feld von mehr oder weniger widerstandsfähiger Menschen. Mit anderen Worten ausgedrückt: Warum verkraften manche Kinder und Jugendliche, die schikaniert worden sind, diese Erfahrung besser als andere?
Fragen dieser Art stellten sich auch Wissenschaftler der Universität Florida Atlantic und der Universität von Wisconsin-Eau Claire. Ihrer Forschungsarbeit lagen zwei Annahmen zu Grunde:
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Widerstandsfähigere Heranwachsende leiden weniger an ihren Mobbingerfahrungen und
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werden weniger häufig zu Opfern sowohl von analogem Mobbing, das in der Schule stattfindet, als auch von Cybermobbing (vgl. University of Winsconsin-Eau Claire)
Es gibt ein klares Ergebnis: Resilienz schützt nicht nur vor Mobbing in der Schule und im Internet, sondern verringert bzw. verhindert auch negative Folgeerscheinungen bei Betroffenen (vgl. ebd.).
Ableitend ist Resilienz ist ableitend eine Art inneres Schutzschild. Einige Schüler:innen werden aufgrund dieser Tatsache gar nicht erst zum Opfer von Mobbing. Bei anderen hingegen prallt die Schikanie derart ab, dass das Risiko, Folgeschäden (Ängste, Depressionen, psychosomatische Störungen) zu erleiden, sinkt.
Resilienz und Umwelt
Resilienz kann nach Steinebach u. Gharabaghi als eine Art Qualität des Menschen verstanden werden (vgl. Steinebach, C. u. Gharabaghi, K. 2013, S. 17), welche sich wie bereits ausgeführt im Laufe des Lebens entwickelt und mit der jemand auf Krisen reagiert. Es lässt sich allerdings ein weiterer Handlungsrahmen eröffnen, wenn Resilienz vorrangig als Qualität der Umwelt aufgefasst wird (vgl. ebd., S. 17). Dann zeigt sich nämlich, dass die Rolle der Akteure und damit verbunden die Bereitstellung von Ressourcen ausschlaggebend sind, damit Individuen die Chance haben, resilient zu sein. (vgl. Steinebach, C. u. Gharabaghi, K., 2013, S. 17). Es gilt also „das Beste aus dieser Umwelt herauszuholen“ (ebd., S. 17).
Im Zusammenhang mit Mobbing könnten daraus Präventionsmaßnahmen entstehen, die die Verantwortung von Lehrer*innen in den Fokus rückt. Lehrende sollten ihren Schüler*innen ein kontinuierliches Angebot machen, damit diese ihre Resilienz, d.h. ihre einzelnen Kompetenzen, wie Selbstwahrnehmung, Selbstwirksamkeit, Problemlösefähigkeit etc. trainieren können. Anhand bestehender Präventionsprogramme wird deutlich, dass diese möglichst früh, niedrigschwellig, zielgruppenspezifisch ansetzen sollten. Bereits im Kindergarten lässt sich spielerisch die Resilienz von Kindern stärken. Im Jugendalter ist es ratsam, diese Präventionsarbeit weiter fortzusetzen. Es gibt verschiedene sinnvolle Themen, die in der verletzlichen Phase wie der Jugend, zu behandeln sind (u.a. Gesundheit, Kommunikation, Gefühle). Offensichtlich ist dabei auch, dass Konfliktlösung als wichtiges Modul dazu gehört (vgl. Rothenbusch, 2018).
Eines darf zum Schluss nicht vergessen werden. Am Ende aller Förderung von Resilienz und deren Schutzfaktoren sollte eines vorne anstehen: Grundsätzlich Mobbing und Gewalt unter Kinder und Jugendlichen zu verhindern. Damit Heranwachsende gar nicht erst in die Situation kommen, schlechte Erfahrungen von sich „abprallen“ lassen zu müssen. Stark können wir auch sein, ohne dafür den Beweis antreten zu müssen!
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Literaturverzeichnis
Bengel, J. u. Lyssenko, L. (2016, Dezember 04). Resilienz und Schutzfaktoren. Abgerufen 28.04.2021, von https://www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/resilienz-und-schutzfaktoren/
bpb (2010, Januar 12). M 02.06 Welche Folgen hat Mobbing für die Opfer?
Abgerufen 16. April 2021, von https://www.bpb.de/lernen/grafstat/mobbing/46560/m-02-06-welche-folgen-hat-mobbing-fuer-die-opfer
Cyberlife III (Folgestudie von 2013 und 2017). Spannungsfeld zwischen Faszination und Gefahr Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern Dritte empirische Bestandsaufnahme bei Eltern, Lehrkräften und Schüler/ -innen in Deutschland
Fröhlich-Gildhoff, K. u. Rönnau-Böse, M. (2018, Januar 31). Was ist Resilienz und wie kann sie gefördert werden? Abgerufen 28.04.2021, von https://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/publikation/televizion/31_2018_1/Froehlich-Gildhoff_Roennau-Boese-Resilienz.pdf
Haufe (2020, Mai 08). Was ist Resilienz? Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen.
Abgerufen 28.04.2021, von https://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/resilienz-was-ist-das-eigentlich_94_294646.html
Kinder- & Jugendärzte im Netz (2017, November 17). Resilienz schützt vor Mobbing. Abgerufen 28.04.2021, von https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/resilienz-schuetzt-auch-vor-mobbing/
Rothenbusch, N. (2018, Juni 08). Förderung von Resilienz bei Kindern und Jugendlichen in Bildungseinrichtungen. Abgerufen 29.04.2021, von https://www.theo-web.de/ausgaben/2018/17-jahrgang-2018-heft-1/news/foerderung-von-resilienz-bei-kindern-und-jugendlichen-in-bildungseinrichtungen-1/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=29f8649d489dbee1a0aa27f32b2dea07
Spiegel Wissenschaft (2013, Februar 22). Mobbing mit Langzeitfolgen. Die seelischen Wunden der Schulzeit. Abgerufen 16. April 2021, von https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/mobbing-betroffene-leiden-noch-jahre-spaeter-an-psychischen-folgen-a-884981.html
Steinebach, C. u. Gharabaghi, K. Hrsg. (2013). Resilienzförderung im Jugendalter. Praxis und Perspektiven.